Teil 2
Bücher zum Thema Griechenland

Der Weinkrug des Praxiteles
Jeder Mensch hat so seine Vorstellung von Ästhetik und Ausgewogenheit und ist beglückt, ihr im Aussen zu begegnen.
Es war an einem Frühjahrs-Mittag in einer kleinen Taverne in Makrigialos, einem Küstenort im Südosten der Insel. In der Küche Mutter und Tante, der Sohn Stefanos bedient. Den bestellten Weisswein (die Griechen bestellen nach Kilo, nicht nach Liter) bringt er uns in der schönsten Weinkaraffe, die ich bislang gesehen habe. So als habe ein Athener einem der antiken Künstler den Auftrag gegeben, eine vollendete Karaffe zu kreieren. Die Form ist zeitlos, griechisch-klassisch schön, der Goldene Schnitt scheint sich im Glas wiederzuspiegeln.
Was liegt näher als beim Bezahlen verschämt-mutig zu fragen, ob man diese Karaffe kaufen könne. Stefanos windet sich, er habe nur für jeden Tisch eine und zudem könne man sie nur in Iraklion kaufen - und das sei weit. Ein Versuch, mit Charme die Mutter zum Verkauf zu bewegen scheitert ebenfalls.
Schlussendlich gelingt der Kompromiss: Sollte ich in diesem Jahr wieder einmal kommen, so liesse sich darüber reden.
Gesagt, getan - im Herbst zieht es uns wieder in das kleine, familiäre Hotel am Meer im Südosten, gelegen in einem herrlich anzusehenden Garten mit Oleander, Oliven, Steineichen, Bougainvilla, Granatapfelbäumen, Kakteen und Rosen.
Am übernächsten Tag sind wir wieder in der Taverne. Stefanos schaut - immerhin ist ein ganzer Sommer über die Insel hinweggegangen - und erkennt uns wohl wieder. Aber er ziert sich, der Weinkrug steht uneinnehmbar auf dem Tisch. Beim nächsten Besuch wird der Wein in Keramik-Krügen serviert.
Aber die Hartnäckigkeit wird beim nächstenmal doch belohnt - Geld will er nicht haben, aber das Versprechen, bei der nächsten Visite ihm ein Geschenk aus Deutschland mitzubringen. Vorsichtig wird die Karaffe eingewickelt. Myron, Polyklet oder wie auch immer ihr geheissen haben mögt, die den Anstoss zu diesem Krug gegeben habt - euch sei gedankt.

Die Bergdörfer
Auch auf Kreta ist die Landflucht nicht aufzuhalten, die Jugend wandert in die Städte bzw in die Touristenzentren, da man dort seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Die Landwirtschaft und der Olivenanbau allein reichen für den Unterhalt einer Familie nicht aus. So findet man in den kleinen Bergdörfern meistens nur noch Alte. Manche Orte hatten früher einmal dreihundert bis vierhundert Bewohner. Heute sind es nur noch dreissig bis vierzig.
Die Häuser liegen dicht aneinander, wie Schafe, die sich gegenseitig wärmen, wenn es kalt wird.
Viele Gebäude verkommen, die Fenster sind verschlossen oder vernagelt, die Gärten verwildern. Eine Tristesse des Verlassenseins, die Vergangenheit hat hier keine Zukunft.
Glücklich kann sich der Ort schätzen, der zumindest noch ein Kafenion besitzt, in dem die meist alten Männer ihren Tag verbringen. Auffallend ist, dass sie oft an verschiedenen Tischen sitzen und sich auf Distanz unterhalten. Verwunderlich ist, dass manchmal überhaupt kein Gespräch stattfindet, sondern eisiges Schweigen herrscht. Obwohl man sich doch in so einem kleinen Ort kennen sollte - aber vielleicht ist es gerade deswegen. Bei einem griechischen Kaffee - den sie von den Türken übernommen haben, aber das hört man nicht so gern, denn allzusehr haben die Griechen fast vierhundert Jahre unter der Turkokratia gelitten - und einem Raki, dem kretischen Tresterschnaps verbringen sie ihre Tage. Die Frauen sind derweil zu Hause und befassen sich mit dem Haushalt.
In dem kleinen Ort Pefki, rund 10 km vom Badeort Makrigialos bergauf, steht ein besonders schönes Kafenion. Dort sitzt man unter enem grossen Pfefferbaum und spürt plützlich den so hektischen Flügelschlag der Zeit nicht mehr.
Ein ebenso interessanter Flecken ist Stavrochori, auf deutsch der Kreuzort. Die Strassen sind schmal. Es gibt keine Geschäfte mehr - aber an der Platia, dem zentralen Platz vieler griechischer Orte, gleichbedeutend mit der italienischen Piazza, gibt es zwei Kafenions. Wie in alten Zeiten bei uns fährt mit viel Geläut der Obst- und Gemüsewagen in den Ort und von allen Seiten kommen die Alten zum Kauf. Nebenbei fällt immer ein Schwätzchen an. Maria, die Wirtin der einen Taverne kauft ein. Schon wieder eine Maria, das ist aber in Griechenland bei den älteren Frauen ein gängiger Name. Sie muss früher einmal sehr hübsch gewesen sein, ihre Augen strahlen etwas Mildes und Gütiges aus. Bevor wir die schattige Platia unter der Platane verlassen, dürfen wir noch einmal schnell in ihre Kochtöpfe schauen. Eindrücke eben, wie man sie nur noch oben in den Bergregionen findet.
In den küstennahen Regionen kaufen jetzt Mitteleuropäer die verlassenen Gebäude und versuchen sie wieder herzurichten.

Der Ölbaum
Kreta ist die Insel der Olivenbäume. Die Schätzungen sprechen von rund 20 Millionen, die im Januar geerntet werden. Der Ölbaum ist ein heiliger Baum. Er bedeutet viel Arbeit, aber er gibt auch Sicherheit. Das kalt gepresste Öl ist eine Delikatesse und wird zudem zu allem verwendet: Zum Einlegen von Gemüse, für den Salat, zum Braten, für Salben und für Seifen.
Der Baum will gepflegt und beachtet sein - wie ein Netz durchziehen die schwarzen Plastikschläuche die Insel und bringen den Bäumen das dringend benötigte Wasser, das in Kreta glücklicherweise noch ausreichend vorhanden ist.
Olivenbäume werden noch immer angepflanzt, die streng geometrisch angeordneten Reihen überqueren wie ein grüner Teppich das gewellte Land.
Wie bei allen wichtigen Dingen des Lebens ist auch der Olivenbaum in Hellas von einem mythologischen Ursprung begleitet.
Dereinst ging es um die Namensgebung der Stadt, die einmal Athen heissen sollte. Der Meeresgott Poseidon, ein Bruder des Zeus, und die Göttin der Weisheit, Athene, wollten Namenspaten werden, wohl wissend, dass dieser Stadt eine grosse Zukunft bevorstand. Und so versuchten sie die Stadtväter (damals steckte die Emanzipation noch in den Kinderschuhen) mit einem Geschenk für sich einzunehmen.
Der Herr der Meere hieb seinen Dreizack in den Felsen und dort entsprang ein Süsswasserquell. Die Göttin Athene versprach den Juroren einen Baum, der für alle von grosser Lebenswichtigkeit sein sollte - es war der Ölbaum. Die Stadtväter handelten weise und entschieden sich für den Olivenbaum. Seither ist der Ölbaum eines der nicht mehr wegzudenkenden Geschenke der Natur an die Griechen und an die Mittelmeerländer.
Die teilweise alten, knorrigen Bäume wirken wie trotzige Eigenbrötler oder Individualisten, die sich der Vermassung entgegenstemmen und somit die Zeit überdauern. Im Sonnenlicht spendet ihr silbrig-grünes Blätterwerk wohligen Schatten.
Am schönsten wirken die Olivenbäume im Frühjahr, wenn die gelben Blumen blühen, der Ginster in Blüte steht und der Klatschmohn mit seinen leuchtend roten Farbtupfern unter den Bäumen blüht.

Kulinaria
Die griechische Küche ist einfach. Aber genossen in der südlichen Umgebung, unter schattigem Weinlaub oder in der Nähe der ewig an den Strand plätschernden Wellen wird sie zu einem köstlichen Erlebnis. Eines der Gerichte, die man immer wieder essen sollte, ist der Griechische Salat, auf griechisch Choriatiki, was soviel heisst wie dörflicher Salat. Mit den Tomaten, die noch danach schmecken und nicht wie die grässlichen holländischen Tomaten, mit eben solchen Gurken, einer Scheibe Schafskäse mit Origano oben, drauf, angemacht mit kalt gepresstem Olivenöl - einfach vorzüglich. Auch beispielsweise das Tsatsiki oder der Moussaka - es schmeckt enfach besser als in den griechischen Lokalen in Deutschland, die den einfachen Weg gehen und alles fertig beim Grosshändler kaufen.
Wenn dann das Ambiente noch stimmt - wie sagt man in Deutschland: Essen und Trinken (in solcher Umgebung) hält Leib und Seele zusammen.
Eine der schönsten Tavernen an der Südküste ist die Fisch-Taverne Psarapoula in dem Ort Koutsonari. Die Brüder Nikos und Wassili betreiben hier am Strand eine pittoreske Taverne, in der die Farbe Blau überwiegt (s. Abbildung oben).
Etwas weiter westlich am Strand, mehrere Schilder weisen darauf hin, hat Andreas, der Kleine Grieche (auf griechisch O mikros Ellinas) seine Taverne. Es lohnt sich, bei ihm einmal einzukehren - er ist so etwas wie ein Tavernen-Philosoph, ein Strand-Diogenes. Zu allen Themen hat er etwas beizusteuern und unterstreicht es mit seinem pfiffigen, verschmitztem Lächeln.

Geschichtliches zum Schluss
Kreta liegt an einer geografischen Nahtstelle. Die Vergangenheit hat die Kreter geprägt und ihr Freiheitswille ist sprichwörtlich. Ursprünglich lebten hier die Minoer, deren Kultur ca 1500 v Chr plötzlich erlosch. Dann kamen die Greichen, später die Römer und wiederum später die Araber. Die Venezianer haben viel zur Kultur begetragen, dann kam die Finsternis der türkischen Besetzung.
Im zweiten Weltkrieg haben die Deutschen mit einer verlustreichen Fallschirmspringer- und Lastensegler-Operation die Insel erobert.
Jetzt gehört Kreta wieder zum griechischen Mutterland.
Auf Kreta leben heisst seit jeher gegen die Fremdherrschaft zu leben.
"Die Erde Kretas" so schrebt ihr grosser Sohn Nikos Kazantzakis "ist so rot gefärbt, weil hier soviel Blut für die Freiheit vergossen wurde".
Wir leben in einer Zeit der Globalisierung. Aber trotzdem wünschen wir uns immer wieder, mit der Andersartigkeit und dem Individuellen in Kontakt treten zu können.
Mallorca und Torremolinos sind einige Monsterbeispiele einer fehlgeleiteten Entwicklung.
So bleibt die Hoffnung, dass die modernen Invasoren, die Touristen, die in Massen auf Kreta einfallen, den Charakter der Menschen und damit das Ursprüngliche der Insel nicht gänzlich zerstören oder deformieren.

Kretas wilder Osten Teil 1 >>>

Näheres zu allen Büchern unter
www.literatur.drvolkmer.de


Athos - Unterwegs im Darten der Gottesmutter


Die Odyssee - Eine psychologische Reise nach
Ithaka



Die Dichterin Sappho

Mythologie

Mars im Spiegel

Für Liebhaber der griechischen Götterwelt


Frankfurt und die Götter des Olymp
Ein fiktiver Besuch aus der Antike

 
Nach oben