Zu den Wurzeln europäischer
Heilkunst
Es
scheint sich um ein besonders kreatives Fleckchen der Menschheitsgeschichte
zu handeln dieses Areal in der östlichen Ägäis,
das der humanistisch gebildete Autor Peter Bamm so treffend als die
Küsten des Lichts bezeichnet hat.
Das Alte Ägypten hatte seinen Höhepunkt schon längst
überschritten und zehrte im Grunde wenig fortschrittlich nur von
seiner Vergangenheit.
Aber hier, auf den Inseln und dem kleinasiatischen Festland, entstand
eine neue Kultur, die mt dem klaren Logos der Grundstein unserer westlichen
Kultur werden sollte.
Einer der grössten Dichter der Weltgeschichte, Homer, hat offenbar
hier gelebt; um seinen Geburtsort streiten sich noch immer die Gelehrten
und vor allem die Städte oder Inseln. Es war ungefähr um 800
v. Chr. Zweihundert Jahre später wurde auf der Insel Lesbos die
Dichterin Sappho geboren.
Heraklit und andere Vorsokratiker gaben sich hier ein Stelldichein.
Die Liste liesse sich weiter fortsetzen, aber unser Augenmerk gilt dem
Ursprung eines verantwortlichen ärztlichen Handelns.
In früheren Zeiten waren
Gesundheit, Krankheit und Tod Zustände menschlichen Da- und Hier-Seins,
die von Göttern gelenkt und gesteuert wurden. Der Mensch als ohnmächtiges
Wesen konnte sich nur durch Opfer die Gunst der Götter "erkaufen",
aus gesundheitspolitischer Sicht eine wichtige erzieherische Maßnahme,
denn durch das Opfer mußte der kranke Mensch etwas von sich hergeben,
das ihm nicht immer leicht fiel. Aber es bestand ein direkter Bezug
zwischen seinem So-Sein und der Gabe an die Übermenschlchen.
Die heutige anonyme, wenn
auch schmerzliche Abgabe an den Sozialstaat und die Einführung
des Verantwortungsabschiebebillets, genannt Krankenschein, lassen beim
Kranken der Jetztzeit derartige Gedanken kaum noch aufkommen.
Zum Leben von Hippokrates
Der berühmteste Arzt der
Antike wurde als Sohn eines Arztes ca 460 v.Chr. auf der Insel Kos geboren
und starb um 377 v. Chr. in der mittelgriechischen Stadt Larissa.
Über sein Leben ist nicht
viel bekannt, zumindest gibt es keine direkten authentischen Berichte
über ihn. Zwar erwähnt ihn Platon in zwei Werken, aber erst
rund 500 Jahre nach dem Tod des Hippokrates schreibt ein griechischer
Arzt namens Soranos von Ephesos seine Lebensgeschichte, offenbar aus
mündlich überlieferten Fragmenten zusammengestellt.
Er ist augenscheinlich ein Arzt gewesen,
der viel in Kleinasien unterwegs war, die kranken Menschen studierte
und sein Wissen auf der Insel Kos an Schüler weitergab. Ob der
berühmte Eid, der weiter unten aufgeführt ist, überhaupt
von ihm stammt, ist nicht ganz unumstritten.
Das entscheidende seiner Lehre
ist aber die Abkehr von der bisherigen Ansicht der Krankheitsgründe.
Nicht allein die Unbill der Götter schien verursachend zu sein,
sondern auch im Lebensumfeld der Menschen mussten Auslöser aufzufinden
zu sein. Die bis in diese Zeit überkommenen magisch-religiösen
Vorstellungen passten irgendiwe nicht mehr ganz in das Bild der neuen
Denkansätze, in die rationale Aspekte eingeflossen waren.
Neben einer Opferung an die
Götter kam die Anregung der Selbstheilungskräfte des Patienten
hinzu, also eine Art Vorläufer einer ganzheitlich ausgerichteten
Kur, nicht dieser modernen Entartung von Kur, die viele Menschen nur
als Urlaub ohne innere Einbindung betrachten.
Gesundheit im Sinn der Lehre
des Hippokrates beruht auf der harmonischen Mischung der vier Körpersäfte
Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Eine Störung des Mischungsverhältnisses
dieser vier Säfte führte zur Krankheit. Diese uns etwas altmodisch
erscheinende Theorie (es war immerhin die erste ihrer Art) hielt sich
bis ins Mittelalter.
Der Eid des Hippokrates
Ich
schwöre beim Apollon, dem Arzt und bei Aesculap und der Hygeia
und bei allen Göttern und Göttinen, die ich zu Zeugen anrufe,
daß ich diesen meinen Eid nach meinen Kräften und nach meiner
Meinung innehalten werde. Meinen Lehrer, der mir diese Kunst beigebracht
hat, gleich meinen Eltern zu schätzen und dessen männliche
Nachkommen werde ich als Brüder betrachten.
Ich schwöre, diese Kunst und sämtliche meine ärztlichen
Kenntnisse, wenn es von mir verlangt wird, weiter zu lehren, ohne Bezahlung
oder Vereinbarung.Ebenfalls an alle
jene, die den Eid des Arztes geschworen haben und an sonst niemanden
anderen.
Ich schwöre, nach meinen Kräften
und nach meinem Urteil die ärztlichen Kenntnisse zum Wohle der
Leidenden anzuwenden und so wie ich es für richtig halte, und daß
ich vermeiden werde, irgend jemandem Schaden zuzufügen oder Unrecht
anzutun.
Ich schwöre, niemandem ein todbringendes
Medikament auszuhändigen, auch wenn er es verlangt, auch nicht
ein solches Medikament zu verschreiben.
Ebenfalls schwöre ich, keiner schwangeren Frau ein Abtreibungsmittel
zu geben.
Ich schwöre, mein Leben rein
zu halten und meine Kunst ebenfalls.
Ich schwöre, dass ich keine
Kastrierung mache, auch wenn man das von mir verlangt. Diese Arbeit
werde ich Handlangern überlassen.
Ich schwöre, keine Handlung vorzunehmen, weder bei Frauen noch
bei Männern, weder bei Freien noch bei Sklaven, die ihnen schaden
sollte.
Was ich während der Dauer der
Behandlung hören oder sehen sollte, ja sogar auch außerhalb
der Behandlung und beim täglichen Leben der Menschen, darüber
werde ich schweigen und dies für immer geheim halten. Ich werde
mich niemals auf diese berufen.
Dieser Eid, den ich einhalten werde
und den ich nicht übertreten werde, möchte ich als Begleiter
meines ganzen Lebens und meiner Kunst haben, damit ich von allen Menschen
anerkannt und geschätzt werde.
Sollte ich jedoch diesen Eid übertreten
und nicht beachten, so soll ich mit dem Gegenteil bestraft werden.
Übersetzung durch
einen griechischen Verlag
Antike Stätten der
Heilung
Asklipios ist der griechische
Gott der Heilkunst, die Römer nannten ihn später Äskulap.
Er war ein Sohn des Lichtgottes Apoll und einer Sterblichen namens Koronis.
Ein Centaur namens Chiron wies ihn in die Heilkünste ein. Überall
in Griechenland waren dem Gott Heiligtümer gewidmet, zu denen die
Kranken und Hilfesuchenden strömten.
Eines der bekanntesten steht
auf der Insel Kos. In der griechischen Zeit war es mehr eine Art heilige
Kurstätte, wie es bereits beschrieben ist. In römischer Zeit
wurde es zum mondänen Bad, in das man ging, um zu sehen und gesehen
zu werden. Im Jahr 554 n. Chr. wurden die Tempelanlagen durch ein schweres
Erdbeben zerstört.
Im Jahre 1902 entdeckte der deutsche
Archäologe Rudolf Herzog die Überrreste des Asklipions unter
dem Schutt der Jahrhunderte.
An diesem Samstagmorgen mitten
Oktober herrscht prächtiges Wetter, der berühmte blaue Himmel
der Ägäis spannt sich auf. Diese frühe Morgenstunde bringt
es mit sich, daß erst wenige Touristen unterwegs sind, so daß
wir die beeindruckende Anlage des Heiligtums ohne allzu störende
Menschenmassen geniessen können. Allein der Anfahrtsweg durch eine
lange Zypressenallee ist eine Art wohltuender "Prolog". Welch
erhebender Anblick muss sich dem antiken Hilfesuchenden am Eingang zum
Asklipion geboten haben, wenn er zum Heiligtum hinaufschaute, das sich
bergauf auf mehreren ansteigenden Terrassen darbot.
Eingebettet in einen Kiefernwald
bietet sich auch dem heutigen Besucher noch immer ein grandioses Bild,
wenn er die breiten Treppen zwischen den Terrassen hochschreitet.
Die weissen Säulen ehemaliger
Tempel auf der mittleren Terrasse heben sich farblich plastisch vor
dem dunklen Grün der Kiefern ab und bieten einen leuchtenden Vordergrund
vor der Kulisse des in der Ferne liegenden Meeres mit dem Ausblick auf
das ehemalige ionische Festland.
Die obere Terrasse beherbergte früher
einen dorischen Ringhallentempel, der dem Asklipios geweiht war. Um
diesen Tempel herum befanden sich kleinere Inkubationshallen, in denen
sich die hilfesuchenden Pilger zum Heilschlaf niederlegten, in der Hoffnung,
die heilige Atmosphäre möge ihnen im Schlaf den Gott Asklipios
erscheinen lassen, der ihnen aus dem Traum oder Unterbewußtsein
die Botschaft der richtigen Behandlung zukommen ließe. Die Priester
und Ärzte, oder nennen wir sie gleich Priesterärzte, versuchten
am nächsten
Tag die Träume zu interpretieren, um die Heilung einzuleiten.
Mit Sicherheit mag so mancher Kranke
auf diese Weise genesen sein. Auch wenn die moderne Schulmedizin dies
alles als Quacksalberei abtun mag. Denken wir nur an die Botschaft Jesu,
der immer wieder die Worte spricht: Dein Glaube hat dir geholfen.
Beim Anblick dieser Heilstätten
kann man einfach nicht umhin, sich Gedanken um die Fragwürdigkeit
heutiger Krankenhäuser mit ihrer seelenlosen Maschinerie zu machen.
Und in vielen Praxen, auch in solchen, die sich biologisch nennen, geht
es ähnlich zu: Viele Geräte und keine Worte.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Einige Eindrücke von
der Insel
Das Asklipion ist sicher die
wichtigste Sehenswürdigkeit der Insel, die sich durch vieles Grün
auszeichnet. Aber es gibt noch vieles andere, das dem Besucher Freude
bereitet.
Auf dem Weg zum Asklipion durchquert
man den alten Ort Platani, der deswegen berühmt ist, weil hier
noch viele Türken in Eintracht mit den Griechen wohnen. Um die
Platia, den alten Dorfplatz, scharen sich gleich mehrere Tavernen mit
türkischen Besitzern, die um die Gunst der Touristen buhlen. Sinnigerweise
lockt
uns die Taverne "Asklepeion", um dort die Symbiose aus türkischer
und griechischer Kochkunst zu geniessen. Der Wirt Ali und seine Söhne
Hassan und Achmed sind um das Wohl ihrer Gäste mit Witz und Humor
bemüht. Ein türkischer Vorspeisenteller und ein Yoghurtlu
Kebab lässt Erinnerungen an frühere Reisen aus der Studentenzeit
wachwerden. Allein die sanitären Verhältnisse würden
die Tochter des Asklipios namens Hygieia wohl auf den Plan rufen.
Die Hauptstadt Kos ist eine selten
anzutreffende, lebendige, geglückte Kombination zwischen Antike,
Mittelalter und Moderne. Das grosse Kastell prägt das Hafenbild
dieser quirligen Stadt und zwischen den moderne Häusern liegen
die antiken Ausgrabungsstätten.
Im Kafenion namens Platanos kann
man bei klassischer Musik und einem griechischem Kaffee diese gelungene
Harmonie aus Vergangenheit und Gegenwart in aller Ruhe auf sich einwirken
lassen.
Von Kos aus fahren täglich die
Schiffe zur Nachbarinsel Nissyros. Ein Tagesausflug bringt uns hinüber.
Wer den Geruch von Schwefel mag, für den ist die Fahrt zum riesigen
Vulkankrater im Inneren der Insel ein Muss. Die Erde ist heiß
und überall strömen schweflige Gase aus. Hier wurden manche
Szenen des James-Bond-Films "Moonraker" gedreht.
Wer es heiss liebt, dem sei auf der
Insel Kos der Ausflug von Kos-Stadt über die Halbinsel Psalidi
zu den Empros Thermi empfohlen. Man kann sich im fast 40 Grad heissen
Wasser aalen, das nur durch einige Steinwälle vom Meer getrennt
ist. Nebenan in der Taverne Therma kann man anschließend beim
Wirt Levtheris die griechische Gastlichkeit genießen.
Die Insel Kos ist wohl in der Ägäis
das Eiland mit den meisten Fahrrädern. Ohne oft auf den übrigen
Verkehr zu achten, sind sie für den Autofahrer und die vielen Motorroller
nicht immer eine Freude.
Nach Rhodos und Karpathos ist es
die größte Insel des Dodekanes. Eine langgestreckte Insel.
Im Norden und Süden die langen Sandstrände, im Sommer sicher
voller Heerscharen von Touristen.
Uns hat es besonders die kleine Stadt
Mastichari in der nördlichen Mitte der Insel angetan. Der Strand
ist weich und sandig, es sind wenig Touristen da, das Meerwasser ist
noch warm und man sieht in einiger Entfernung die Nachbarinsel Kalymnos,
die Insel der Schwammtaucher.
Einige kleine Tavernen zieren den
Strand und den kleinen Hafen, eine trägt den sinnigen Namen "Kali
Kardia" Gutes Herz. Hippokrates hätte seine Freude
daran.
Für uns Liebhaber der Ägäis
ist es immer wieder erstaunlich, mit welch umfassender logistischer
Mühe es den Griechen gelingt, ihre vielen grossen und kleinen Inseln
mit allem zu versorgen, was Einheimische und Touristen brauchen und
schätzen.
Auch Wanderer kommen im Gebirge auf
ihre Kosten rund drei Stunden braucht es für den normalen
Fussgänger vom Bergdörfchen Zia bis auf den etwas über
800 m hohen Hauptberg der Insel.
Wer das Meer liebt, Freude
an der Natur hat, kulturell aufgeschlossen ist, griechisches Essen und
griechische Weine schätzt, der ist im Oktober auf der Insel Kos
gut aufgehoben.
Unterwegs im
Garten der Gottesmutter
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